Shinrin-yoku heisst übersetzt Wald(Luft)bad und kommt aus Japan.
Dort gilt Waldbaden als Medizin und wird von einigen Millionen Menschen im Jahr genutzt.
Bereits Anfang der achtziger Jahre wurde es vom japanischen Landwirtschaftministerium eingeführt und Forschungsprogramme aufgesetzt, um die medizinische Wirkung des Waldbadens nachzuweisen.
Was ist jetzt der Unterschied zu dem, was wir bereits aus unserer Kindheit kennen, das Spazierengehen im Wald? Und hoffentlich auch als Erwachsene rege nutzen.
Grundsätzlich verbinden wir eine sehr positive Wirkung mit dem Wald und das hat seine Gründe.
Halten wir uns im Wald auf, so werden alle unsere fünf Sinne angesprochen:
- Sehen: unterschiedliche Lichtverhältnisse
- Riechen: neue Eindrücke, Geruch von Erde und Holz
- Spüren: Anfassen von Blättern, Rinde, Moos
- Hören: Rascheln von Blättern, Vogelstimmen, Plätschern eines Baches
- Schmecken: (essbare) Beeren essen
Das der Wald uns Menschen gut tut, hat der Evolutionsbiologe Edward O. Wilson bereits in den achtziger Jahren beschrieben und Biophilia genannt. Der österreichische Biologe und Waldforscher Clemens Arvay hat in seinem 2016 erschienen Buch Der Biophilia-Effekt darüber geschrieben, dass unsere Verbindung mit der Natur das Ergebnis eines Jahrmillionen langen Evolutionsprozesses ist. Wir sind genetisch dazu bestimmt, die Natur zu lieben.
Er führt weiter aus, dass die Pflanzen miteinander kommunizieren. Ihre Sprache besteht aus chemischen Botenstoffen, sie warnen sich damit gegenseitig vor Schädlingen.
Forscher haben bisher an die 2000 Duftstoffvokabeln zugeordnet, hauptsächlich so genannte Terpene (ätherische Öle). Diese besondere Mischung von Botenstoffen in der Waldluft regt unser Immunsystem an. Die Anzahl der „Killerzellen“ steigt an. Diese erkennen Zellen, die zum Beispiel von Bakterien oder Viren befallen sind und bekämpfen sie. Dies gilt sogar für Krebszellen.
Halten wir uns für einige Zeit im Wald auf, vermindern sich auch unsere Stresssymptome. Das gedämpfte Licht senkt unser Aktivitätslevel, lässt uns „runterfahren“. Der Spiegel des Melatonin im Blut senkt sich und gleichzeitig kommt es zu einer Reduktion des Stresshormons Kortisol. Der Parasympatikus, unser Ruhenerv, wird besonders angeregt und wir können tief entspannen.
Wie lange muss ich mich im Wald aufhalten um diese Wirkung zu erzielen?
Professor Qing Li, Umweltimmunologe an der Nippon Medical School, die Koryphäe der Waldmedizin in Japan, hat mehrere Studien durchgeführt. Schon ein kurzer Sparziergang im Wald hat Einfluss auf unsere Gesundheit. Schon nach einer Stunde im Wald steigt die Anzahl der Killerzellen. Ein ganzer Tag im Wald verbracht lässt die Killerzellen sehr stark ansteigen und wir können ca. 7 Tage davon zehren. Zwei bis drei Tage Aufenthalt im Wald sorgt ca. 30 Tage vor.
In seinem Buch Forest Bathing schreibt Qing Li wie wir den Aufenthalt im Wald nutzen können. Es ist mehr als nur einfach spazieren gehen, er praktiziert Shinrin-yoku so: „Schau dir die Farben der Bäume an, atme tief ein, höre die Blätter rauschen. Wenn du müde bist, darfst du dich ausruhen, wo und wann du willst. Wenn du durstig bist, darfst du etwas trinken, wo und wann du willst.
Weitere gute Tipps wie wir den normalen Spaziergang im Wald ausweiten können zum Waldbaden, sind im Buch Waldbaden nachzulesen, geschrieben von der Entspannungspädagogin und Waldexpertin Annette Bernjus.
Hieraus ihre Anleitung zum Waldbaden in 10 Schritten aus ihrem Buch:
- Schlendern: Gehe langsam und gemütlich spazieren. Streckenverlauf, Ziel und Dauer sind nicht festgelegt.
- Rasten: Halte inne, verausgabe dich nicht. Lege rechtzeitig Pausen ein. Lass die Seele nachkommen.
- Wahrnehmen: Erlebe, was dich umgibt, aber ohne Leistungsdruck. Staune, genieße die Formen, Farben, Gerüche und Geräusche des Waldes. Leg dich ins Laub, sonne dich. Berühre eine Rinde, lehne dich an einen Stamm, setze dich auf einen Baumstumpf. Probiere junge Blätter, die du kennst. Entdeckst du einen Bach, schau aufs Wasser, kühle deine Füße.
- Ausprobieren: Gehe mit offenem, wachem Blick, entdecke Bekanntes neu. Lege ein Mandala, flechte Gräser, sammle Steine, Eicheln oder Kastanien, suche dir einen schönen Spazierstock.
- Sanfte Bewegung: Balanciere über Stämme, hüpfe über Stümpfe. Wenn du kannst, übe Yoga – der Körper bekommt so mehr Sauerstoff.
- Achtsamkeit: Sei mit deiner Aufmerksamkeit im Moment, staune vorbehaltlos, nimm Eindrücke wertfrei wahr.
- Augenentspannung: Schau in die Ferne: Genieße das Grün des Waldes, entlaste deine monitormüden Augen.
- Atemübungen: Setze dich an einen schönen Platz, und beobachte deinen Atem, lass ihn kommen und gehen.
- Meditation: Sammle dich, beruhige deinen Geist, dann findest du zur Ruhe. Anfänger lassen sich anleiten.
- Stille: Schweige, träume und genieße das Alleinsein.
Ob die Terpene, die Duft- und Botenstoffe wirklich ausreichend in der Luft vorkommen, um alleine diese Wirkung zu erreichen, daran hat Hanns Hatt, ein bekannter Geruchs- und Geschmackforscher an der Universität Bochum, seine Zweifel. Er vermutet, dass es nicht die Terpene allein sind, unterstützend sind die Duftmuster. Wir verbinden mit Waldduft meistens positive Erlebnisse. Wald tut uns gut und wir fühlen uns dort wohl.
Ähnlich klingt es bei der Klimatologin und Professorin Dr. Dr. Angela Schuh, von der Ludwig Maximilians Universität in München. Sie hat den Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung inne und forscht intensiv zum Thema Kur- und Heilwald.
Die bisherigen Studien geben deutliche Hinweise auf gesundheitsfördernde Einflüsse durch den Aufenthalt im Wald wie Stressreduktion, psychische Stabilisierung, gute Erholungseffekte, bessere Schlafqualität und Zunahme der Leistungskapazität des Immunsystems. Für die Veränderung von physiologischen Parametern, der Sekundärprävention sowie für die Therapie von chronischen Erkrankungen besteht bislang – auch international gesehen – keine Evidenz.
Und die asiatischen Ergebnisse müssen für den europäischen Raum noch geprüft werden. Haben Buchen-, Eichen- und Kieferwäldern die gleichen, oder andere Wirkungen als die japanischen Wälder?
Hier in der Schweiz wird seit kurzem das Waldbaden im Aletschwald im Wallis angeboten.
Die entspannende Wirkung der Arven ist bereits erforscht und ich werde sicher in den nächsten Wochen einige Tage dort verbringen und die zehn Schritte des Waldbadens testen.
Dafür verlass ich gerne meinen geliebten Greifensee, ein Natursee in der Nähe von Zürich, der mein tägliches Entspannungsparadies ist.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern wunderbare und erholsame Ferientage und freu mich über Feedback zu diesem Blogartikel.
Herzlich
Ihre/Eure Brigitte Frank