In Zeiten der Digitalisierung und der Transformation durchaus verständlich, das Arbeitgeber diese Fähigkeit von ihren Mitarbeitern wünschen. Zu neuen Ufern aufbrechen und Geschäftmodelle verändern, zukunftstauglich machen und dafür innovative Lösungen entwickeln – so verstehen Unternehmen „Kreativität“.
Drehte sich früher alles darum, Prozesse noch effizienter zu machen, steht jetzt im Mittelpunkt alles zu hinterfragen und auf Veränderungen schnell und ideenreich zu agieren.
Aber ehrlich, haben Sie nicht spontan auch andere Gedanken zum Wort „Kreativität“ oder kreativ sein?
Meine ersten geschrieben Gedanken dazu auf einem Blatt Papier waren
… kreative Menschen sind Künstler wie Musiker, Maler, Tänzer, Schriftsteller
… haben kreative Jobs wie Fotografen, Werbetexter, Grafiker
… sind großartige Erfinder, Forscher und Genies
Kreativität erfordert divergentes Denken – möglichst viele Alternativen für eine Lösung finden.
Haben diese Menschen diese Kreativität im Blut und können sie einfach abrufen? Da ist was dran, denn wir unterscheiden: die aussergewöhnliche Kreativität © und die alltägliche Kreativität (c).
Dass wir zunächst an die aussergewöhnliche Kreativität (C) denken, ist historisch bedingt.
Wir hören und lesen, beginnend in der Schule, von den grossartigen Genies der Antike. Deren besondere Fähigkeiten wurden als angeboren dargestellt, sie verfügten damit über herausragende schöpferische Geisteskräfte, die nur wenigen vorbehalten war.
Oder Genies aus dem Mittelalter, wie Leonardo DaVinci (2019 – sein 500. Todestag).
Kreative Höchstleistungen werden von Menschen erbracht, die scheinbar gegensätzliche Persönlichkeitsmerkmale in sich vereinbaren. Bekannt sind dazu die wissenschaftlichen Studien und Forschungen des Psychologen und Kreativitätsforschers Prof. Mihály Csikszentmiháli. In seinem Buch „Creativity“ (1996) zeigt er in zehn Bereichen gegenpolige Eigenschaften, wie Konzentration und Entspannung, Realitätssinn und Fantasie oder Tradition und Rebellion.
Menschen die diese Gegenpole haben und diese vereinen können, erreichen damit eine enorme Schaffenskraft, die weit über das „normale“ hinausgeht.
Ein weiterer Faktor für Höchstleistungen: Menschen, die ein besonderes Ziel haben, eine hohe intrinsische Motivation dieses Ziel zu erreichen und eine Extraportion Beharrlichkeit.
Alltägliche Kreativität setzt diese extremen Persönlichkeitsstrukturen nicht voraus.
Eine Harvard Studie aus 2018 zeigt: besonders kreative Menschen können Hirnregionen miteinander verknüpfen, die üblicherweise nicht gemeinsam agieren. Sie kommen auf Lösungen, die anderen verwehrt bleiben.
Kreative Prozesse und Rahmenbedingungen im Job
Kann ich Kreativität lernen oder ist jeder Mensch von Natur aus kreativ?
Kreativität ist letztendlich die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Die Frage kann jeder Mensch mit JA beantworten.
In unseren „normalen Jobs“ nutzen wir die alltägliche Kreativität (c) – und je nach Innovationsgrad der Aufgabe im Unternehmen auch eine Prise der aussergewöhnlichen Kreativität. In vielen Firmen wird unter Innovation eine Weiterentwicklung bestehender Produkte oder Dienstleistungen gefordert. Darin sind wir in der Schweiz oder in Deutschland auch richtig gut. Die meisten revolutionären Produkte oder Dienstleistungen kommen eher aus den USA.
Ich kenne aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen mit Kolleg*innen in Unternehmen die Kreativitätsverhinderungsprogramme. Hierarchische Strukturen, Management by Excel, die klassische Unternehmenskultur und die Denke „das haben wir schon immer so gemacht“.
Wie kann ich Kreativität im Unternehmen fördern?
Teams sind kreativer:
.. wenn sie sich trauen gross zu denken, spielerisch mit dem Thema umgehen.
.. nicht nur dominante Teammitglieder Ideen einbringen
.. ein Klima (Spirit) da ist, wo sich gerne alle Mitarbeiter einbringen
.. offene und vertrauensvolle Kommunikation mit allen Mitarbeiter
.. klare Ansage an alle warum wir für was eine Lösung brauchen
.. sich die Führungskräfte auf eine angenehme Weise zurückhalten
.. der Chef nicht das Kreativmeeting leitet
Wenig fördernd:
… Geld oder Prämien – wichtiger ist den meisten Menschen das ihre Ideen anerkannt werden
… Zeitdruck – zu knappe Deadlines produzieren Stress
… Angst – blockiert unsere Gehirnareale
Wertvoll und hilfreich: Abteilungsübergreifende Vernetzung und gute Zusammenarbeit im Unternehmen auch über die Funktionsgrenzen hinweg. Mitarbeitern vertrauen und Leistung anerkennen.
Alles Merkmale einer offenen Firmenkultur und gute Voraussetzungen, damit Mitarbeiter zur Lösung von Aufgaben in den „Flowzustand“ kommen und hervorragende Ideen entstehen, die praxistauglich sind. Zur Freude des Unternehmens, das am Markt wettbewerbsfähig bleibt und Jobs sichern kann. Und zur Freude der Mitarbeiter, die zeigen können, was sie draufhaben.
Flow ..
.. bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie gänzlich in einer Beschäftigung »aufgehen«. Entgegen ersten Erwartungen erreichen wir diesen Zustand nahezu euphorischer Stimmung meistens nicht beim Nichtstun oder im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder einer schwierigen Aufgabe widmen.
1975 beschrieb Prof. Mihály Csikszentmihál das„Flow-Erleben“ und gilt als Erfinder der „Flow-Theorie“. Er fragte dazu viele Menschen und fand heraus, dass glückliche Menschen am produktivsten und kreativsten sind, wenn sie immer wieder Flow-Erlebnisse haben.
Apropo Flow – beim Schreiben dieses Blogbeitrages habe ich mal wieder die Tasse Kräutertee über eine Stunde ziehen lassen, den gestellten Wecker einfach überhört so vertieft ins Schreiben. Früher hätte ich mich geärgert, dass ich das vergessen habe und der Tee nicht mehr geniessbar war. Heute freu ich mich, dass ich so oft an Themen arbeiten kann, die mich wirklich interessieren und ich einfach dieses Flowgefühl immer wieder erleben darf.
„Inspiration existiert, aber sie muss dich arbeitend vorfinden.“ Pablo Picasso
Herzliche Grüsse
Eure/Ihre Brigitte Frank
p.s. Brandaktuell, heute morgen gelesen- die Forderung von Dennis Lück: Mehr Kreativität in den Schulen
Das Zitat von Picasso gefällt mir und entspricht meiner Erfahrung. Gerade im frühen Morgen, zu Beginn eines Arbeitstages bin ich noch nicht ganz muter und noch nicht voller Motiavation. Macht nichts: ich starte einfach mit kleineren (Routine-Arbeiten), so komme ich ich schnell in einen Arbeitsfluss und recht rasch stellt sich auch ein kleiner Erfolg ein… Und schon bald bin ich voller Elan und die Tausend unterschiedlichster Anforderungen, Terminen und drängender Problemchen wandelt sich von der Motivationsbremse zum interessanten und herausfordernden Spannungsfeld, das mit etwas Schwung und Kreativität bewätigbar wird.
In diesem Sinne hoffe ich, dass nicht gänzlich alle Routine-Arbeiten in der digitalen Welt 4.0 den Robotern und KI überlassen werden, sondern uns – selbstverständlich im erträglichen Masse und quasi zum Warmwerden vor dem grossen Kreativitätsschub – erhalten bleiben.